Germanistisch-Literarisches Uni-Theater (GLUT) – DvT.2
Germanistisch-Literarisches Uni-Theater (GLUT) – DvT.2

Germanistisch-Literarisches Uni-Theater (GLUT) – DvT.2

Draußen vor der Tür … des Lebens

CW: Kriegstraumata, Suizidversuche

Schon im Sommersemester 2023 begeisterte das Germanistisch-Literarische Uni-Theater mit seinem dreigeteilten Stück „Tür klemmt“ durch die richtige Mischung aus Witz und Tiefe. In der aktuellen Inszenierung, wieder unter der Regie von Philip M. Reinhart, werden ein paar bekannte und ein paar neue Türen geöffnet. Mit einer gegenwartsangepassten Inszenierung auf Grundlage von Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ erschafft die GLUT bei der Premiere am 27. März ein beeindruckendes Kunstwerk mit nachhaltigem Eindruck.  

Der Irmler-Musiksaal an der Erba ist bereits vor Beginn des Stücks in atmosphärisch blau-rotes Licht getaucht. Rhythmische Klänge begleiten die Zuschauer*innen zu ihren Plätzen und sammeln sich zu einem auditiven Ausdruck von Düsternis und Dystopie.  

Die GLUT serviert mit dem von Philip M. Reinhart adaptierten Stück „DvT.2“ nicht unbedingt leichte Kost. Das Ende eines zukünftigen Kriegs – wir befinden uns in Hamburg im Jahr 2049 – ist der Ausgangspunkt der Inszenierung. Beckmann (Milan Lukaschek) ist ein verwundeter Kriegsheimkehrer, der einfach nicht mehr in sein früheres Leben zurückfindet. Seine Frau teilt das Bett inzwischen mit jemand anderem, die meisten seiner Freunde sind gefallen und Beckmann wird von den „nasskalten Gespenstern“ der Kriegsgräuel heimgesucht. Getrieben und gebrochen, angefüllt mit unverarbeiteten Traumata sieht er keinen anderen Ausweg als den Selbstmord. Doch der Sprung in die Elbe (personifiziert durch Ulrike Golz) bringt ihm keine Erlösung. Sie spuckt ihn zurück ins Leben, nicht aus Gutmütigkeit, sondern weil sein Wert zu gering für sie ist. Der Lichtblick einer glücklichen zwischenmenschlichen Beziehung zu einem nicht näher benannten Mädchen (Nadine Buschmann), das ihn nach seinem Suizidversuch findet, erlischt beinah so schnell, wie er gekommen ist.  

In seiner inneren Zerrissenheit stolpert er von einer ernüchternden Begegnung in die nächste, nur um festzustellen, dass er auf dieser Welt keinen Platz – kein Zuhause – mehr hat. Weder der Oberst (Christian Mehle), dem er die Verantwortung für die grausamen Kriegstaten zurückzugeben versucht, noch der Direktor (Lea Seeger), bei dem er ein Vorsprechen als Bühnenkünstler hat, noch seine ihn ständig begleitenden personifizierten inneren Stimmen (Jean Müller, Philine Plachta und Theresia Seisenberger) wollen oder können ihm helfen. Zu seinen Eltern, dem letzten weltlichen Rückzugsort, kann er nicht gehen, denn sie sind tot. In ihrer früheren Wohnung lebt jetzt eine junge Frau namens Steffi Kramer (Lena Neumann). Und selbst der Tod (Annelie Frank) möchte ihn nicht bei sich aufnehmen, er hat Sodbrennen von den vielen Leichen, die er verdauen muss und beherbergt einen Gott (Annika Gutwill), der schon lange nicht mehr allmächtig ist.  

„Die Laternen sind aus, die Türen sind zu.“ 

Es ist eine Inszenierung der psychischen Wortgewalt, die die Zuschauer*innen schockiert und hilflos zurücklässt. Denn die Ohnmacht Beckmanns gegenüber seinem harten Leben ist nachfühlbar. Am liebsten möchte man ihm helfen oder ihn zumindest für einen Augenblick fest in den Arm nehmen. Gibt es einen Ausweg aus dieser Situation? Das Stück lässt das Ende offen und breitet einen großen Teppich der Interpretationsmöglichkeiten aus. Was das Publikum daraus mitnimmt, bleibt ihm selbst überlassen. Feststeht, dass es sich um eine rundum gelungene Inszenierung handelt. Unterstützt wird diese durch die atmosphärisch-nuancierte musikalische Untermalung von Renée Müller, die den verschiedenen Szenen den letzten auditiven Feinschliff verleiht. Mit viel Tiefgang werden die großen philosophischen Fragen des Lebens – und was darüber hinausgeht – aufgeworfen, diskutiert und auf die Zuschauenden losgelassen. Feinsinniger Humor und viele kleine Referenzen der Literatur und Popkultur heben die düstere Grundstimmung das ein oder andere Mal und verbinden das Gezeigte mit der Realität. Vielschichtigkeit zeigt sich nicht nur in der Inszenierung selbst, die mit Elementen des Humoresken und des Horrors jongliert, sondern auch bei den Schauspieler*innen, die ihre Charaktere mit vielen Facetten auskleiden und damit das Stück zum Leben erwecken. Nicht nur für Literaturliebhaber*innen ist „DvT.2“ eine beeindruckende und wichtige Theatererfahrung, denn die Inszenierung diskutiert die richtigen Fragen zur richtigen Zeit.

Weitere Aufführungen finden am 03.04., 04.04., 08.04., 09.04. und 12.04.2024 im Irmler-Musiksaal statt. Weitere Informationen zu den Spielzeiten findet ihr auf der Website der GLUT: https://www.uni-bamberg.de/germ-lit3/lyrikprojekt/ 

von Lea Griesbach

alle Fotos: © Thomas Brunner

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